Eine Auswahl an Rezensionen aus Print- und Online-Beiträgen.
+++Ein Theaterabend wie eine Achterbahnfahrt.+++
Kölner Rundschau
„…die neueste Produktion des Theaterkollektivs Futur3, in der das Ensemble das Spannungsverhältnis zwischen westlicher Exotik-Sehnsucht und Imperialismus auslotet. Mit SHIT ISLAND ist Futur3 eine sehenswerte theaterale Achterbahnfahrt zwischen Lachen und Entsetzen gelungen. Das Premierenpublikum spendete langanhaltenden Beifall.“
[Kölner Rundschau, 22.11.17 „Dieser Reichtum stinkt zum Himmel“ von B. Krebs]
Report-Köln
„SHIT ISLAND bedient sich eines von feinen Ideen strotzenden collagenartigen Medienmix’ und beweist, dass Theater auch ohne erhobenen Zeigefinger Teil eines gesellschaftlichen Diskurses sein kann.
(..)
Das Besondere ist auf der einen Seite der Text, der auf authentischen Dokumenten basiert und eine ungeheure Rechercheleistung darstellt. Das in dieser Dimension und Qualität Einmalige ist darüber hinaus der Medienmix, an dem sich Regisseur André Erlen und sein talentiertes Team bedient. Die Live-Übertragungen, Zeichnungen, Geräusche und Musik, das intermediale Spiel mit Kamera und Echtheit, das alles sind wohlportionierte, sehr raffinierte Einfälle, die – und das ist selten – weder ablenken noch effekthascherisch daherkommen, sondern die Geschichte unterstützen und bereichern.
So entsteht eine Geschichte der Insel in verschiedenen Episoden, die auf unterhaltsame, stellenweise amüsante Art und Weise einen Beitrag zum antiimperialistischen Diskurs leistet, bestehende Verhältnisse kritisiert, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben. Und vor allem: Ohne ein einziges Mal ein Bild von Nauru zu zeigen, denn das ist schon längst in den Köpfen entstanden. So muss Theater sein.“
[Report-Köln, 2011.17, „Eine Reise zu einer Scheißinsel“ von F. Schäfer]
Kölner Stadtanzeiger
„… Nun könnte man den Fall Nauru als mahnende Parabel über die Fallstricke eines Schlaraffenland-Szenarios betrachten, würden Regisseur André Erlen und Futur 3 nicht gerade darauf ihr Augenmerk legen, wie unsere Projektionen chauvinistische Mechanismen aufgreifen. (…) Die Versuche, Nauru und seine Menschen zu kategorisieren, werden mit amüsanten Theatertricks ad absurdum geführt. So gelingt es Futur 3, spielerisch die eigenen narrativen Strukturen in Frage zu stellen.“
[Kölner Stadtanzeiger, 21.11.2017 , „Ein Paradies aus Vogelkot und Offshore-Konten“,
N. Raffelsiefen]
Choices
„Unter dem griffigen Titel „Shit Island“ widmet sich das Theaterkollektiv Futur3 den eurozentrischen Vorstellungen vom Paradies auf Erden. In schummrigem, warmem Licht nehmen die Zuschauer im Kreis Platz, in der Mitte eine Art Altar mit leuchtenden Blumen, Kerzen und Figürchen. Zu schwül-warmen Ukulele-Aloha-Klängen rezitieren die Schauspieler Berichte und Briefe von Weltreisenden. Just in dem Moment, wo man sich als Zuschauer fragt, ob man diesen Abend zwei Stunden aushält, nimmt die Inszenierung eine doppelte Wendung und wird zum vollen Erfolg.
Die Imagination vom Paradies bekommt Risse. (…) Statt von Idylle handeln die Reiseberichte plötzlich von der Einführung des europäischen Arbeitsethos im Paradies. Und dafür sind „Nigger“ und „Kanacken“ einfach nicht gemacht. Wie in einem Brennglas wird dieser Konflikt – zweite Wende – nach einem Bühnenwechsel am Beispiel Naurus verhandelt. (…) Heute ist Nauru wüst und pleite. Um sich finanziell irgendwie über Wasser zu halten, hat man Flüchtlingslager angelegt. Dort entledigt sich das wohlhabende Australien (…) für einen kleinen Obolus seiner abgewiesenen Flüchtlinge. Mitten im Stillen Ozean, wo man eigentlich das Paradies vermutet, spielt sich eine der zynischsten Tragödien der Welt ab. Shit Island, eben … Ein Theaterabend wie eine Achterbahnfahrt.“
[Choices, 30.11.17, „Dystopia im Stillen Ozean“, von B. Krebs]
Theater pur
„… Im Dunkel unseres Unwissens sitzen wir im Kreis um einen altarähnlichen Tisch herum, der mit Kerzen und Blumen geschmückt ist, und lauschen den Melodien unserer Südseeträume. Schön schräg singt Jörg Ritzenhoff von den Menschen aus Tahiti, und aus den Lautsprechern ertönt das Rauschen des Meeres. (…) Der Erzählduktus wechselt zwischen romantisch und ironisch-unheimlich; der Sound diverser Glöckchen und Instrumente hilft unserer Vorstellungskraft auf die Sprünge, wenn Siedler, Kolonialherren und Außenseiter auf ihren Abenteuern über die Inseln stromern. (…) Aufmerksame Zuschauer registrieren, wie filigran die Inszenierung des Regisseurs André Erlen gearbeitet ist. (…) Sehr hübsch gelingt der Inszenierung die Visualisierung der einstigen Forschungsergebnisse auf einer Videowand, die von einem an der Seite der Bühne sitzenden Künstler bemalt wird.
(…)
Vielleicht kann man das, was Futur3 in zwei Stunden vorstellt, als Dokumentartheater bezeichnen. Der Text der Aufführung ist collagiert aus Büchern, Aufzeichnungen, Dokumenten, Tagbüchern, Radiosendungen. Dabei wird die Geschichte mit einer bemerkenswerten Vielzahl an szenischen Ideen erzählt – mit tänzerischen und musikalischen Einlagen, unaufdringlichen, aber wirkungsvollen Sound-Effekten, Live-Malerei inklusive witziger Überblendungen, nachgestellten Radio- und Skype-Interviews, tanzendem Spielzeug und schwingenden Röcken.
(…)
Es ist göttlich, welch komödiantische Funken Irene Eichenberger und Luzia Schelling im Kölner Orangerie-Theater aus dieser Szene schlagen – und es ist nur eine von zahlreichen, in ihren Theatermitteln sehr unterschiedlichen Episoden, in denen Regisseur André Erlen und seine Künstler in zwei unterhaltsamen Stunden die traurige Geschichte von Nauru erzählen.
(…)
Was wir sehen, ist informativ, amüsant, erschreckend, unterhaltsam. André Erlen wertet nicht; er berichtet nur. Dennoch wird die Aufführung zu einer wirkungsvolleren Anklage gegen den Kolonialismus und die ausbeuterische Seite eines gedankenlosen Kapitalismus als all die ideologischen Wutbürgerszenen in anderen (…)
Und es ist eine hochaktuelle Warnung: Die Geschichte von Nauru ist ein krasses Beispiel dafür, was geschieht, wenn die Ressourcen unserer Welt ohne Rücksicht auf die Auswirkungen in der Zukunft ausgebeutet werden.“
[Theater pur, 22.11.2017, „Der Bagger tanzt nicht mehr“, D. Zimmermann]
Schlagwörter: kolonialismus